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Neulich am… Schliersee: VON BIENEN UND VOM WELTVERBESSERN

Mittagspause an der Rixner-Alm direkt am Schliersee. Auf der Bank neben mir zwei Rentnerpaare - sehr glücklich mit ihren Weißwürsten, den Weißbieren und der Wintersonne (warm, nicht weiß). Stammtischmodus: Alle fünf Minuten ein neues Gesprächsthema. Aktuell: Bienensterben und das dazu gehörige Volksbegehren, das in Bayern vor einem Tag erfolgreich zu Ende ging (https://volksbegehren-artenvielfalt.de/).

„Da bin ich gespannt, was die jetzt bei ihrer Konferenz mit dem Söder in München auskarteln“, sagt der Filzhutträger.

„Wie soll das denn gehen für die Bauern?“, wirft der im Jägerlook ein. „Keine Pflanzenschutzmittel mehr und jeder Bauer soll Flächen stilllegen für Blumenwiesen - das will doch kein Verbraucher zahlen....!“. - Die Frauen am Tisch schweigen.

„Andererseits“, sagt der Filzhutträger, „wenn ich früher mit dem Auto von München nach Garmisch gefahren bin, konnte ich kaum mehr durch die Windschutzscheibe schauen, so voll war die mit Fliegen. Und heute klebt vielleicht grad mal eine Fliege dran. (Pause) Das stimmt schon, dass wir viel weniger Insekten haben...“ -. Die Frauen am Tisch schweigen.

„Scho“, sagt der als Jäger Getarnte. „Aber soll deswegen grad alles anders werden?“ – Die Frauen am Tisch schweigen. Und dann geht das Gespräch ums Tempolimit.

Gespräche wie diese erlebe ich oft hier am Land. Von durchaus klugen Leuten, die keine Tagesschau auslassen und dazu noch Zeitung lesen. Die wissen alle, was gerade diskutiert wird. Nicht so ganz im Detail, aber eine Meinung dazu haben sie. Wenn es dann allerdings um Fakten und Argumente geht, ist vieles nicht da, was eigentlich berichtet wurde. Stattdessen werden Emotionen und Gewohnheiten verbalisiert – die eigenen, versteht sich. - Was also bewirkt unsere – überwiegend faktenbasierte – Berichterstattung?

Irgendwas scheint ja falsch zu laufen, wenn Bürger zwar über Headlines im Bilde sind, beim Argumentieren aber nur eigene Glaubenssätze hervorholen. Obwohl Fakten - und darauf aufbauend durchaus vielschichtige und kontroverse Meinungen - ja durchaus vorkommen in unserer Berichterstattung. Und diese zumindest von den Leuten, die ich hier draußen in den oberbayerischen Bergen treffe, auch gelesen, gehört und gesehen werden. Nur halt sehr selektiv verstanden….

Das Bild der Windschutzscheibe, an der keine Insekten mehr kleben, wird offenbar verstanden. Und nachhaltig erinnert - weil es eben für jeden selbst erfahrbar ist.

Die komplexen Argumente, warum eine nachhaltige Landwirtschaft keine Option, sondern Notwendigkeit sein sollte und wir alle dafür tatsächlich mehr bezahlen müssen, ist offenbar nicht nachvollziehbar aufbereitet worden. Obwohl die Einsicht, „da muss ja was dran sein, weil früher war es anders“, durchaus vorhanden ist.

Oder – auch das soll ja erlaubt sein – auch Gegen-Positionen schlüssig vertreten werden: "Mag sein, dass wir weniger Insekten haben, aber sterben werden wir davon nicht, weil … Argument 1, Argument 2, Argument 3…" - Dieses Argumentieren aufgrund von Fakten - egal ob durch eigene Erkenntnis oder durch Medienkonsum - bekomme ich beim Zuhören allerdings so gut wie nie mit.

Ich habe nicht das Gefühl, dass die Menschen hier engstirniger sind als anderswo. Auch glaube ich nicht , dass niemand unsere Nachrichten und Berichte mitbekommt. Aber ich habe schon den Eindruck, dass das, was wir berichten, überwiegend nicht verstanden und erinnert wird.

Darum empfehle ich allen Journalisten: Öfter mal im Sonnenschein auf Bierbänke setzen. Das könnte dem Bewusstsein für gutes Storytelling und Zielgruppen durchaus nicht schaden.

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